
Vom verschwundenen Leben in der Fotografie
Fotografie ist Teil der gesellschaftlichen Wahrnehmung. Nur wenn eine Fotografie über ein Ereignis existiert, glaubt man, dass dieses auch tatsächlich stattgefunden hat. Das Hochzeitsfoto beweist das gegebene Eheversprechen. Das Porträt vom debattierenden Politiker im Parlament belegt seine Aussage. Ein Foto vom ölverschmutzten Strand bezeugt das Tankerunglück und die ökologische Katastrophe.
Dabei ist jede Fotografie nur, wie der französische Philosoph Paul Virilio es betont, „die Unterbrechung eines verborgenen Bewegungskontinuums, der Stillstand einer Bilderwelt“. Nimmt man zum Beispiel eine Serie von dreizig Aufnahmen, belichtet im Mittel mit einer sechzigstel Sekunde, so ergibt sich daraus nicht mehr als mehr als eine halbe Sekunde Ausschnitt aus dem wahrgenommenen Leben.
Alles vor und nach der Fotografie ist scheinbar verschwunden. Über die Bedingungen der Aufnahme, das Entstehen des Auckenblicks, das Drumherum zum gewählten fotografischen Ausschnitt, den emotionalen Beziehungen zwischen dem Fotografen und dem fotografierten Objekt, erzählt das Foto nichts.
Und doch üben die unbewegten Bilder oft eine eigentümliche Fazination aus. Man sagt ihnen sogar nach, dass sie Geschichten erzählen können. Mit dem Hochzeitsfoto erinnert man sich vielleicht an den gemeinsamen Liebesakt. Das Porträt vom Politiker kann auch von seinen Lügen erzählen und mit dem Bild vom ölverschmutzten Strand wird man gegenbenfalls daran erinnert, dass die Preise auf dem Fischmarkt wieder gestiegen sind und das ehemals üppige Fischangebot schwindet.
Fotografien konstruieren also nicht nur den statischen Raum des Abgebildeten. Sie erzeugen auch eine Zeittiefe, die sich als Geschichte in den Gedächtnissen der Menschen realisiert, die das fotografische Bild betrachten. Und sie können so etwas wie ein diskursiver Knoten sein, weil das was sich mit dem fotografischen Text manifestiert, frei assoziert und mit eigenen Bedeutungszuweisungen verbunden werden kann.
Diese Dynamik der Fotografie veranlasste Paul Virilio zu der Aussage: „Wenn es tatsächlich eine Kunst gibt, bei der […] der Betrachter das Kunstwerk überhaupt erst erschafft, dann ist die Fotografie diese Kunst!“. Während also auf der einen Seite mit dem Fotografieren, Leben aus der Fotografie verschwindet, wird es auf der anderen Seite mit dem Lesen der Fotografie neu geschaffen. Fotografie ist somit gleichzeitig destruktiv wie konstruktiv. Sie ist Zerstörung und Schöpfung in Einem.

Fotografie und Kunst
- Einleitung
128.000,00 DM für eine Reihe von Fotoporträts zu bezahlen, hat sicherlich das Vorstellungsvermögen der Mehrzahl der LeserInnen überschritten, die im November 2000 den Aufmacher „Rekordpreis für Riefenstahl-Fotos“ (o.V. In: Rheinische Post vom 06.11.2000) über eine kurz zuvor stattgefundene Auktion lesen konnten.
Nun könnten besagte LeserInnen die Höhe des Zuschlags einmal dadurch entschuldigen, dass sie annehmen, bei den Fotografien handelt es sich um besonders wertvolle historische Dokumente. Zum anderen könnte die Hypothese gebildet werden, dass es sich bei der im Jahre 1902 geborenen Fotografin um eine schon zu Lebzeiten, wenn auch umstrittene, gewordene Legende handelt, was einen Extra-Sammler-Preis-Bonus rechtfertigen dürfte.
Doch die Fotoschüsse datieren aus den 1960er Jahren und sind damit historisch gesehen sicherlich nicht besonders wertvoll. Des Weiteren erzielten die Riefenstahl-Exponate nicht einmal den Höchstpreis auf der oben genannten Auktion. Für 143.000,00 DM wechselte ein Konvolut mit 22 Motiven des 1995 gestorbenen Fotografen Peter Keetman den Besitzer.
Wer glaubt, dass dies Eimaligkeiten und zufällige Preishöhepunkte sind, der irrt. Die zeitgenössische Fotografie „Paris, Montparnasse“ des deutschen Andreas Gursky erzielte auf einer New Yorker Versteigerung im Jahr 2002 die wohl nur vorläufige Rekordsumme von 540.000,00 US-Dollar. Eine Fotoserie über Hochöfen des Ehepaares Bernd und Hilla Becher schnitt mit 140.000,00 US-Dollar auf der gleichen Auktion dagegen vergleichsweise bescheiden ab.
Offensichtlich haben sich Fotografien als Kunstobjekte etabliert. Dass Fotografie ebenso gesellschaftlich als Kunstform akzeptiert ist, zeigen die unzähligen Fotoausstellungen in kleinen und großen Galerien sowie die Exhibitionen in den namhaften Museen. Allein für den Monat Januar 2003 weiß die renommierte Deutsche Gesellschaft für Photographie e.V. insgesamt 28 deutsche „First-Class-Adressen“, wie die Berlinische Galerie, das Essener Museum Folkwang oder das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zu nennen, wo namhafte Fotografen ihre Exponate ausstellen (www.dgph.de).
Dass dies nicht immer so selbstverständlich und die Fotografie als ein Medium und eine Form innerhalb der Kunst sehr umstritten war, macht folgendes Zitat aus der Norddeutsche Allgemeine Zeitung von 1886 deutlich: „Die photographische Maschine speit ihre nach Milliarden zählenden Produkte aus, und diese lagern sich wie ein Heuschreckenschwarm vernichtend auf das blühende Feld der Kunst, d.h. nicht allein dadurch, daß ihre Produkte denjenigen der Menschenhand Konkurrenz machen und sie erdrücken, sondern sie schädigt auch direkt durch ihr Wesen die Kunst“ (Zit. nach: Brauchtisch 2002, 12).
Es stellt sich also die Frage, was waren eigentlich die entscheidenden Impulse, die der Fotografie ihren Weg ins Museum ebneten und damit zur breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz der Fotokunst führten?
2. Fotografie und Kunst
Direkt mit der Erfindung der Fotografie Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die Debatte um ihren Kunststatus losgetreten und in ähnlichen Varianten wird sie bis heute, wenn auch nicht mehr so vehement, fortgeführt. Kriterien, die den Nicht-Kunst-Status belegen sollen und sollten, sind im Wesentlichen:
1. die triviale Nachahmbarkeit,
2. Banalisierung und Auslöschung von Besonderem und
3. die rein handwerkliche Reproduzierbarkeit.
Die veränderte Art des Sehens, die subjektive Wahrnehmung, die visuelle Kraft oder der differenzierte Naturalismus, haben die Fotografie für die Befürworter jedoch schnell zu einer eigenständigen Kunstform gemacht.
Andere dachten sogar noch einen Schritt weiter und schrieben zumindest der elektronischen Fotografie, dem synthetischen Bild, die Möglichkeit der totalen Kunst zu: „So überwindet das Neue Foto nicht nur die traditionelle Einteilung der verschiedenen Kunstformen (es ist Malerei, Musik, Literatur, Tanz und Theater, alles in einem), sondern es beseitigt auch die Unterscheidung zwischen den >Zwei Kulturen< (es ist sowohl Kunst als auch Wissenschaft). Damit macht es eine totale Kunst möglich, die Wagner niemals erträumen konnte“ (Flusser 1986. Zit. n. Jäger 2000, 23).
Im allgemeinen Bewusstsein war die Fotografie jedoch noch Mitte letzten Jahrhunderts „nicht mehr und nicht weniger als ein technisches Medium mit einiger wirtschaftlichen Bedeutung, mit dessen Hilfe man Erinnerungen festhalten konnte und das in Wissenschaft und Praxis zur Erfüllung bestimmter Aufgaben eingesetzt wurde“ (Kraus 1998, 48).
Erst in den 1960er Jahren veränderte sich die gesellschaftliche Wahrnehmung hierzu grundlegend. Maßgeblichen Anteil an der neuen Blickrichtung und damit der breiten gesellschaftlichen Akzeptanz der Fotografie als Kunst, außerhalb der fotografischen Gemeinschaft natürlich, hatten im Wesentlichen drei gesellschaftlichen Gruppen: die Sammler, die Künstler und die Wissenschaftler.
2. 1. Die Sammler
Erste Bemühungen „Photographische Erzeugnisse“ zu sammeln und zu dokumentieren setzten schon um 1880 ein. Dieses Interesse war jedoch vom „Typus des heimatgeschichtlich-zeitdokumentarischen, des technik-geschichtlichen und des kunstgewerblich orientierten Fotomuseums“ (Pohlmann 1991, 8) und, auch in den nachfolgenden Jahrzehnten, auf einige wenige Sammler und Museen beschränkt.
Erst ab den 1960er Jahren gewann das Sammeln von so genannter Photographica, von historischen fotografischen Zeugnissen aller Art, eine breitere Basis. Bekannte Sammlerklubs, die in diesem Zusammenhang entstanden, sind z.B. die Photographic Historical Society of New York oder der deutsche Club Daguerre.
Obwohl sich das Sammelinteresse überwiegend auf technische Produkte und nur zum geringeren Teil auf Fotografien konzentrierte, so weckte die Sammelleidenschaft jedoch auch das Interesse an zeitgenössischer Fotografie. 1969 entstand in den USA die erste Verkaufsgalerie für Fotografien. Vier Jahre später waren es schon 350 (vgl. Kraus 1998, 55).
Wenn auch viele der in dieser Zeit entstanden Fotogalerien wegen mangelnder Verkaufserfolge wieder vom Markt verschwanden, so gab diese Bewegung doch den entscheidenden Impuls die Fotografie neu zu bewerten.
2.2 . Die Künstler
Eine der ersten offiziellen Anerkennungen fand die Fotografie gegen Ende des 19. Jahrhunderts in Russland. Hier wurde sie „von der Akademie der Schönen Künste nobilitiert, den anderen bildenden Künsten gleichgestellt und zu den offiziellen Ausstellungen zugelassen“ (Brauchtisch 2002, 79). Doch diese Anerkennung währte nicht lange. Mit der Oktoberrevolution wurde Kunst in den Dienst der Revolution und ihr Stellenwert insgesamt zur Disposition gestellt. In den extremsten politischen Positionen wurde der Künstler „allein durch seine Existenz zum Staatsfeind“ (Brauchtisch 2002, 113).
Fotografie und Malerei haben sich in ihrer gemeinsamen Geschichte immer wieder gegenseitig inspiriert, jedoch erst die Einbeziehung der Fotografie als Medium in avantgardistische Kunstformen zu Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre, ebnete ihr den Weg zur breiteren musealen Akzeptanz. Dies geschah in drei Schritten:
– Die ersten waren die Pop-Artisten. Sie ersetzten die Realität durch ein Bild von der Realität. Trägermaterialien waren hierfür in der Regel Fotografien, Abbildungen aus Zeitschriften oder anderen Drucksachen, die dann grafisch oder durch Drucktechniken entfremdet wurden.
– Bei Happenings, die das Ziel hatten Leben und Kunst zu verbinden, wurde die Fotografie zunächst nur als Dokumentation des künstlerischen Ereignisses eingesetzt. Im weiteren Verlauf drehte sich das. Das Rohmaterial, die fotografische Dokumentation wurde eigenständiges Kunstwerk des Happenings.
– In der Concept-Art, die sich auf die dem Kunstwerk zugrunde liegende Idee beschränkt, d.h., das Kunstwerk muss nicht mehr realisiert werden, wurde die Fotografie dann als Transportmittel von Ideen und Trägermaterial von Informationen benutzt.
Wenn auch diese Entwicklungen schon ab den späten fünfziger und frühen sechziger Jahren stattfanden, so setzte ihre Aufarbeitung erst in den siebziger Jahren ein. Die Kunstwelt entdeckte die Fotografie als ein Medium für die Kunst. Die fotografische Gemeinschaft ignorierte zunächst diesen Zugriff, lehnte ihn später ab, um dann schließlich alle eigenen frei geschaffenen Produktionen als Kunst zu erklären. Die in den darauf folgenden Jahren einsetzende Debatte zwischen Fotografen und Künstlern lässt sich unter den Titel „Fotografie als Kunst“ – „Kunst als Fotografie“ subsumieren und wird bis heute, wenn auch nicht mehr so vehement, fortgeführt.
So sind die einen froh, dass ihnen „Eine Kunstproduktion, die sonderbare künstlerische Blüten treibt und vielfach nur aus den Bedingungen des >Kunst<- Markts selbst zu erklären ist“ (Stepan 1999, 8), bis vor kurzem erspart geblieben ist, während die anderen es nicht mehr als revolutionär ansehen, „… Bilder um ihrer selbst willen zu machen, und stellen deshalb auch ihren Kunstanspruch in Frage“ (Neusüss, Heyne. Zit. n. Kraus 1998, 67).
2.3. Die Wissenschaftler
Dafür, dass die Fotografie zu einer wissenschaftlichen Disziplin wurde, bestehen nach Kraus, und der lehnt sich dabei methodisch an das Vorgehensschema von Thomas S. Kuhn – Der Weg zur normalen Wissenschaft – an (vgl. Kraus 1998, 68 ff.), vier Gründe:
1. Es lag ein Anstoß von außen, also außerhalb der fotografischen Gemeinde vor. Dies waren zunächst die Sammler und Künstler, die dann das Interesse der Wissenschaften weckten.
2. Einen weiteren Blickwechsel leitete die Kunstgeschichte ein, die sich intensiv der Fotografie annahm.
3. Durch Schriften wie von Walter Benjamin, Gisèle Freud und Siegfried Kracauer wurde der Weg der Fotografie zu einer „normalen Wissenschaft“ weiter geebnet.
4. Mit dem „geschichtlichen Zufall“, den Ereignissen der 1968er Jahre und der damit einhergehenden Kritik an überkommenden bürgerlichen Kunst- und Kulturvorstellungen, wurde ein neuer Blick auf die Fotografie eingeleitet. Krauss fasst zusammen, dass somit alle Voraussetzungen für den Übergang der Fotografie von einem vorwissenschaftlichen Status zu einem wissenschaftlichen Zustand in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts gegeben waren. In den darauf folgenden Jahren ermöglichen Verlage wie Schirmer/Mosel ab 1974,
Zeitschriften wie Kritische Berichte, das Mitteilungsorgan des Ulmer Vereins für Kunstwissenschaft, ab 1973, die seit 1977 in England erscheinende Zeitschrift History of Photograph und ab 1981 die deutsche Zeitschrift Fotogeschichte, in ihren Publikationen grundlegende Diskussionen zur fotografischen Auseinandersetzung und leiteten damit einen wissenschaftlichen Diskurs über Fotografie als Kunst und als kulturelles Phänomen ein.
Das Jahr 1982 markiert nach Kraus schließlich
„die endgültige Anerkennung der Photographie als ein eigenes, wenn auch interdisziplinäres wissenschaftliches Forschungsgebiet. Öffentlich sichtbar wird dies an zwei Veranstaltungen. Die erste führte die Sammler und Autodidakten aus der photographischen Gemeinschaft auf der einen, und die Wissenschaftler und Theoretiker auf der andern Seite zusammen. Es waren die vom Historischen Museum in Frankfurt und der Zeitschrift Fotogeschichte organisierten 1. Frankfurter Fotogespräche, die am 22. und 23. Mai 1982 in Frankfurt stattfanden. Die zweite war die am 18. und 19. November 1982 im Zentrum für interdisziplinäre Forschung in Bielefeld … veranstaltete Tagung
Geschichte und Theorie photographischer Bildleistungen als eigenständiges Forschungsgebiet. Sie versammelte Fachwissenschaftler der unterschiedlichsten Disziplinen zu einem ersten gemeinsamen Gespräch, ‘um so wenigstens etwas Transparenz in die unübersichtliche Vielfalt der Forschungsansätze zu bringen‘ “ (Kraus 1998, 75).
3. Schlussbemerkung
Als Walter Benjamin in den 1930er Jahren schrieb: „Der Streit, der im Verlauf des neunzehnten Jahrhunderts zwischen der Malerei und der Photographie um den Kunstwert ihrer Produkte durchgefochten wurde, wirkt heute abwegig und verworren“ (Benjamin 1963, 22), tat er dies aus einer dialektisch-materialistischen Perspektive heraus, mit einem Verständnis von Kunst, die das jeweils historische Ergebnis des Wechselverhältnisses von realer Basis und gesellschaftlichem Überbau ist. Dabei hoffte und erwartete er sicherlich, dass dieser Streit um das „kultische Fundament“ (Benjamin ebd.) in der heutigen Zeit so nicht mehr geführt werden würde, bzw. bräuchte.
In der Tat wirkt dieser Streit aus einer solchen Perspektive wie die Debatte um die Frage: wie viele Engel passen auf eine Nadelspitze? Susan Sontag (1980, 124) formulierte dies so: „Wenn Fotografen heute verneinen, daß sie Kunstwerke schaffen, so deshalb, weil sie überzeugt sind, etwas Besseres als Kunst zu produzieren. Ihre Dementis sagen uns mehr über den desolaten Zustand aller Begriffe von Kunst, als über die Frage, ob die Fotografie eine Kunst ist“.
Der Zustand von Begriffen über Kunst ist jedoch auf die jeweiligen gesellschaftlichen Wahrnehmungen und den entsprechenden, oder widersprechenden Bedeutungszuweisungen zurückzuführen. Nicht die Begriffe von Kunst sind desolat, sondern die materiellen Bedingungen hierfür, d.h. die gesellschaftlichen Voraussetzungen.
Wenn für zeitgenössische Fotografien wie o.g. mehr als eine halbe Million US-Dollar gezahlt werden, dann funktioniert dies darüber, dass diesen Werken eine Bedeutung, oder um bei Benjamin zu bleiben: „Aura“ zugeschrieben wird, die dieser mit der Möglichkeit der technischen Reproduzierbarkeit für überwunden sah.
Literatur
Barthes, Roland (1989). Die helle Kammer. Frankfurt a. M
Benjamin, Walter (1963). Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt a. M
Billeter, Erika (1994). Fotografie Lateinamerika. 1860-1993. Bern
Brauchitsch von, Boris (2002). Kleine Geschichte der Fotografie. Stuttgart
Flusser, Vilém (1999). Für eine Philosophie der Fotografie. 9.Aufl. Göttingen
Freund, Gisèle (1979). Photographie und Gesellschaft. Hamburg
Jäger, Gottfried (2001) (Hg.). Fotografie denken. Über Vilém Flusser`s Philosophie der Medienmoderne. Bielefeld
Koschatzky, Walter (1993). Die Kunst der Photographie. Köln/Salzburg/Wien
Krauss, H. Rolf (1998). Walter Benjamin und der neue Blick auf die Photographie. Ostfildern
Kunst- und Ausstellungshalle der BRD (1997) (Hg.)Deutsche Fotografie. Macht eines Mediums 1870 – 1970. Bonn.
Neubauer, Hendrik (1997) (Hg.). 60 Years of Photojournalism. Köln.
Pohlmann, Ulrich (1991). Das Fotomuseum im Münchener Stadtmuseum. Heidelberg
o.V. (2000) Rekordpreis für Riefenstahl-Fotos. In: Rheinische Post vom 06.11.2000
o.V. (2003) Fotoausstellungen. http://www.dgph.de (15.01.2003)
Sontag, Susan (1980). Über Fotografie. Frankfurt a. M.
Stepan, Peter (1999). Fotografie! Das 20. Jahrhundert. München
Kleine Geschichte der Fotokunst
Die Entwicklung der Fotografie wurde begünstigt durch das wachsende Verlangen der im 19. Jahrhundert florierenden Bourgeoisie nach günstigen und repräsentativen Porträts. Diese anfängliche Domäne der Malerei wurde somit von Beginn an ein klassischer Schwerpunkt innerhalb der Fotografie und machte sie populär, mit dem Nebeneffekt, dass eine Reihe von Malern die sich aufs Porträtieren spezialisiert hatten, erst einmal arbeitslos wurden.
Eine weitere fotografische Anlehnung an die Malerei ergab sich über das öffentliche Interesse an Großbilddarstellungen in Theatern, Gebäuden etc. Hierbei bediente man sich der Technik von Negativ-Collagen. Für das Werk des Schweden Oscar G. Rejlander, Die beiden Lebenswege von 1857, benötigte er sechs Wochen und setzte dreißig Negative ein, die zu einem Gesamtbild montiert wurden.
Ebenso an der Malerei orientiert waren impressionistische oder dem Jugendstil nachempfundene Fotowerke. Um diesen Charakter zu erreichen, wurden zum Teil strukturierte Fotopapiere benutzt, mit Pinselstrichen gearbeitet oder mit Unschärfe variiert.
Während sich in diesen Jahrzehnten die Fotografie noch an der Malerei orientierte, kann man mit Beginn des 20. Jahrhunderts von einem angeregten Austausch und gegenseitiger Inspiration zwischen Malerei und Fotografie sprechen, der bis heute fortgesetzt wird. Beispielhaft seien hier der Surrealismus und Fotografen wie Man Ray und Andre Kertész genannt.
Neben den Bereichen der Sozial-, Stil-, Mode- und Reisefotografie, die ihre eigenen künstlerischen Sphären schufen, entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwei Bewegungen, die die Fotografie und die gesellschaftliche Wahrnehmung bis in die Gegenwart hinein nachhaltig prägen sollten: zum einen der Fotojournalismus und zum anderen die Neue Sachlichkeit.
Formal grenzt sich der Fotojournalismus gegenüber der Kunst ab. Sein Anspruch ist es ja Bilder zu schaffen die Objektivität darstellen und die nicht durch subjektive Interpretationen verklärt werden können. Vom eigenen Selbstverständnis verstanden und verstehen sich die meisten dieser Fotografen aber auch als Künstler, und ihre Aufnahmen werden mehr und mehr in die Museumslandschaft integriert.
Wesentliche Stichpunkte zur Geschichte des Fotojournalismus sind:
- “Der besondere Augenblick“, wo zum ersten Mal das „Private“ in den Mittelpunkt gerückt wird,
- die Fotoagentur „Magnum“, mit dem Versuch von FotografInnen und Fotografen wieder die Kontrolle über die eigenen Bilder und Bildaussagen zu erhalten,
- und Zeitschriften wie der „Stern“ oder „Life“, die maßgeblich zur Verbreitung beigetragen haben bzw. noch dazu beitragen.
Das zweite Genre, das zu Beginn des 20.Jahrhunderts populär wurde, ist bekannt unter Begriffen wie „Neue Sachlichkeit“, „Neues Sehen“ oder auch „Bauhaus- Ästhetik“. Diese Art der Wahrnehmung und Darstellung fand ihren Niederschlag in der Malerei, der Architektur und natürlich auch in der Fotografie.
Hier genießt das Formale Priorität, der Mensch als Individuum spielt nur eine untergeordnete Rolle. Klare Linien, die höchstmögliche Anzahl von Grauwerten und absolute Schärfe zeichnen diesen fotografischen Stil aus. In dieser Tradition der „Neuen Sachlichkeit“ steht die „Subjektive Fotografie“, die u.a. Otto Steinert – Professor an der Essener Folkwangschule – ab den 50er Jahren forcierte.
Auch hier steht grafische Klarheit im Vordergrund, Formen der Reduktion bis hin zur völligen Abstraktion werden jedoch auch integriert. Diese Bilder wollen nicht appellieren, nicht agitieren, nicht berichten und nichts aussagen. Sie sind subjektive Wahrnehmungen, die sich gegen jedweden objektiven Anspruch einer Bildaussage wenden.
Ebenso emotionslos sind die Bilddarstellungen des sog. „Trägen Blickes“. Der Mensch als Subjekt wird völlig ausgeblendet, teilweise sogar wegretuschiert und die Zeit quasi angehalten. Übrig bleiben lediglich die kognitiven menschlichen Leistungen. Es wird nicht die außergewöhnlichste Ansicht gesucht, sondern die typischste. Vertreter dieses Stiles sind u.a. Gabriele Basilico aus Italien und Bernd Becher von der Düsseldorfer Kunstakademie. Die von ihm, seiner Frau Hilla und von seinen Schülern kreierten Arbeiten sind als „Neue Düsseldorfer Schule“ bekannt geworden.
Den Menschen und sein soziales Umfeld rückt dagegen die so genannte „New British Photography“ in den Vordergrund. Sie sucht nicht den entscheidenden Augenblick, der alles erzählt, sie sucht das davor und das danach. Diese Art der Fotografie ist ironisch, sie zeigt absurde Realitäten auf und versteht sich als Kritik an unserer Konsumgesellschaft. Sie erweckt in dem Betrachter eine Erwartung und fordert zum Dialog.
Neben den oben genannten Stilrichtungen, deren formale Trennung in der fotografischen Realität nicht immer so nachzuvollziehen ist da die Grenzen vielfach fließend sind, sollen noch kurz drei fotografische Bereiche genannt werden, in denen sich eigenständige Kunstformen entwickelt haben:
- die VIP-Fotografie, die in der Ambivalenz zwischen dem eigenen künstlerischen Anspruch und dem Interesse der Kulturindustrie an Kultfiguren steht,
- die inszenierende Fotografie, wo nicht mehr Realität sondern die reflektierte Interpretation der Realität präsentiert wird,
- und natürlich die von der Digitaltechnik unterstützte Fotografie. Wenn hier Menschen in den Mittelpunkt gestellt werden, dann werden sie dabei indifferent und zur amorphen, geschlechtslosen Masse verfremdet. VertreterInnen diese Stiles sind beispielsweise Anthony Aziz und Sammy Cucher.
Literatur (Auswahl)
Barthes, Roland (1989). Die helle Kammer. Frankfurt a. M
Benjamin, Walter (1963). Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt a. M
Billeter, Erika (1994). Fotografie Lateinamerika. 1860-1993. Bern
Brauchitsch von, Boris (2002). Kleine Geschichte der Fotografie. Stuttgart
Flusser, Vilém (1999). Für eine Philosophie der Fotografie. 9.Aufl. Göttingen
Freund, Gisèle (1979). Photographie und Gesellschaft. Hamburg
Jäger, Gottfried (2001) (Hg.). Fotografie denken. Über Vilém Flusser`s Philosophie der Medienmoderne. Bielefeld
Koschatzky, Walter (1993). Die Kunst der Photographie. Köln/Salzburg/Wien
Krauss, H. Rolf (1998). Walter Benjamin und der neue Blick auf die Photographie. Ostfildern
Kunst- und Ausstellungshalle der BRD (1997) (Hg.)Deutsche Fotografie. Macht eines Mediums 1870 – 1970. Bonn.
Neubauer, Hendrik (1997) (Hg.). 60 Years of Photojournalism. Köln.
Pohlmann, Ulrich (1991). Das Fotomuseum im Münchener Stadtmuseum. Heidelberg
Sontag, Susan (1980). Über Fotografie. Frankfurt a. M.
Stepan, Peter (1999). Fotografie! Das 20. Jahrhundert. München

Technik
Was ist die Technik eines Fotografen?
Das Auflösungsvermögen seiner Objektive oder die Marke seiner Kameras? Der formale Bildaufbau seiner Fotografien oder die Tricks bei der digitalen Bearbeitung der Bilder?
Sicherlich gehört dies alles auch zur Technik der Fotografie. Und für viele Menschen die sich mit der Fotografie auseinandersetzen, sind diese und ähnliche Themen die entscheidenden, in diesem Zusammenhang zu mindestens.
Andere „Fototechniken“, wie das Gespür für Situationen, das Sehen und Wahrnehmen, die Kunst des Arrangements, das Empfinden von Augenblicken, emphatische Integration in die Umwelt und die Sensibilität in sozialen Situationen, werden in der Regel nicht als solche verstanden.
Oft werden diese „Techniken“ ignoriert und ihre Entwicklung vernachlässigt. Setzen sie doch voraus, dass man sich selbst mit dem Gegenüber, mit der anderen Seite des Objektives auseinandersetzen und ins Verhältnis bringen muss. Und das ist doch das eigentlich Spannende an der Fotografie. Oder nicht?


„Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg!“ – Rechtsradikale Propaganda und wie man sie widerlegt
Presseinfo:
Ziel des Buches ist die Aufdeckung der nationalistischen und rassistischen Propaganda, mit der im Alltag Stimmung gegen Ausländer gemacht wird und die die heutigen Aktionen rechter Agitatoren begründen und rechtfertigen soll. Noch immer sind die zentralen politischen und juristischen Probleme der Ausländerfrage ungelöst: Ob Deutschland ein Einwanderungsland sein darf oder nicht und unter welchen Voraussetzungen uns Ausländer willkommen sind, bleibt weiterhin offen.
So sind dann die Inhalte des umstrittenen Zuwanderungsgesetzes leider immer noch Spielbälle im Wahlkampf. Aber das politische Poker mit dem Schicksal von Menschen bildet eigentlich nur die Kulisse der Stimmung in der Gesellschaft.
Denn ob die ausländische Nachbarn, ArbeitskollegInnen oder MitschülerInnen auch tatsächlich in Deutschland leben können, entscheidet nicht (allein) das Zuwanderungsgesetz, sondern vor allem auch die deutschen Nachbarn, ArbeitskollegInnen und SchulkameradInnen, die den legalen Aufenthalt zur Hölle machen können. Schon lange kommen radikale Meinungen sowie rassistische und antisemitische Parolen nicht mehr nur von ganz rechts. – Dem alltäglichen Rassismus begegnet man beim Warten ander Supermarktkasse oder Bushaltestelle und im Alkoholdunst der Stammtische sowieso.
„Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg.“ Rechtsradikale Propaganda und wie man sie widerlegt unternimmt den Versuch, das Lügengebäude der neonazistischen Szene systematisch zu entkräften.
Ausgehend von gängigen Behauptungen und Parolen folgt die Argumentation einem festgelegten Aufbau: Zunächstwird der Versuch unternommen, den Zweck,den Hintergrund und das ideologische Umfeld einer Lüge zu beleuchten. Dann geht es um die Widerlegung mitschlichten Fakten, Zahlen und Statistiken – unemotionalund sachlich.
Die eindrucksvollen Porträtaufnahmen des Fotografen Bernd Schäfer geben dem Buch einen zusätzlichen Reiz. Sie zeigen in Deutschland lebende Menschen unterschiedlicher Herkunft, die ihre ganz eigene Sicht der Dinge schildern. Hinter „dem“ Ausländer und hinter all den rassistischen Verallgemeinerungen wird der Einzelne sichtbar, mit seiner Einstellung, seinen Stärken und Schwächen – einfach ein Mensch. Und darum sollte es bei der Debatte auch gehen: um einzelne Menschen in ihrer jeweiligen Besonderheit. Sicherlich wird man mit solch einem Buch keinen Neonazi bekehren können, aber man wird den Neonazis ihre eigene „Bekehrungsarbeit“ schwerer machen.
Verlag an der Ruhr 2003
ISBN 3-86072-394-4